Das Aikido wurde von Morihei Ueshiba Anfang des 20. Jahrhunderts aus anderen Kampfkunstformen entwickelt. Morihei Ueshiba wird noch heute als „O Sensei“ bezeichnet. Übersetzt bedeutet das so viel wie „alter Meister“.

Morihei Ueshiba wurde am 14. Dezember 1883 in Tanabe in der japanischen Präfektur Wakayama südlich von Kyoto geboren. Ueshibas Vater, Yoroku, stammte von einer alten Samurai-Familie ab, war vergleichsweise wohlhabend und lebte unter anderem von Fischerei und Forstwirtschaft.

Nach seiner Schulzeit geht Morihei zum Studium nach Tokio und lernt dort ab 1902 Jujutsu und Kenjutsu. Im gleichen Jahr heiratet er seine Frau Hatsu Itokawa, tritt kurz darauf in die japanische Armee ein und zieht in den russisch-japanischen Krieg.

Er studiert verschiedene Jujutsu-Stile, bis er nach der Entlassung aus der Armee 1907 nach Tanabe zurück geht. Dort hat sein Vater eine Scheune zum Dojo umbauen lassen, wie Morihei von Kiyo’ichi Takagi im Judo unterrichtet wird.

1912 zieht Morihei Ueshiba mit anderen auf die Insel Hokkaido, wo sie gemeinsam neue Siedlungen gründen wollen. Dort wird er unter anderem wegen seines rats und seiner Führung geschätzt. Er bekommt während der Zeit sein Diplom beim Jujutsu-Meister des Daito-ryu Sokaku Takeda.

Morihei Ueshiba lernt Onisaburo Deguchi kennen, einen der Führer der Omoto-Bewegung, einer der vielen neuen religiösen Bewegungen, die im 19. Jahrhundert in Japan entstanden. Von Deguchi ist Ueshiba so beeindruckt, dass er 1920 mit Deguchi ins Zentrum der Bewegung nach Ayabe zieht und dort beginnt, Omoto-Mitglieder in Jujutsu zu unterrichtet.

Der Ruf des Meisters verbreitet sich schnell, neben Mitgliedern der Omoto-Bewegung kommen bald Marinesoldaten aus dem benachbarten Stützpunkt zum Unterricht. Ueshiba nennt seine veränderte Kampfkunst inzwischen selbst Aiki-Bujutsu.

Mit Deguchi bricht er 1924 in die Mongolei auf, um dort eine religiös bestimmte Weltregierung zu gründen. Die Teilnehmer der Expedition werden in China verhaftet, Ueshiba und andere werden zum Tode verurteilt, das Urteil wird auf Intervention des japanischen Konsulates aber nicht vollstreckt. Morihei Ueshiba kehrt nach Ayabe zurück.

Sein Mäzen Admiral Isamu Takeshita bringt ihn 1925 nach Tokio, wo er sein Aiki-Bujutsu auch am kaiserlichen Hof vorstellt. Zwei Jahre später zieht er ganz von Ayabe nach Tokio.

Die Zahl seiner Schüler wächst dort so schnell, dass er 1930 einen größeren Trainingsraum braucht und das Kobiukan-Dojo gründet. Auf demselben Grundstück steht heute das Honbu-Dojo in Tokio.

Der Begriff AIKIDO für die neue Kampfkunst von Morihei Ueshiba taucht erst 1942 auf. In dieser Zeit beschließt Ueshiba, sich aufs Land nach Iwama zurück zu ziehen. Er setzt seinen Sohn Kisshomaru als Leiter des Honbu-Dojos in Tokio ein. In Iwama hat O Sensei seit 1935 Acker und Wald gekauft, die er jetzt bewirtschaftet. Für ihn sind Ackerbau und Budo eine Einheit. Er errichtet in Iwama einen Schrein und ein Dojo. Im Aiki-Schrein soll zum einen den 43 Gottheiten gehuldigt werden, die das Aikido schützen, zum andern soll er Schutz und Zentrum für alle Aikidoka sein.

Von den Alliierten wurde Aikido wie alle anderen Kampfkünste in Japan nach dem Krieg verboten. Erst 1948 wurde es als erste Kampfkunst wieder zugelassen. Im selben Jahr wird das Aikikai als Aikido-Organisation offiziell anerkannt.

Schon in den 50er Jahren verbreitet sich Aikido in Frankreich und in Teilen der Vereinigten Staaten.

Am 26. April 1969 stirbt O Sensei in Tokio und wird in Tanabe beigesetzt.

Hikitsuchi Michio war mehr als 30 Jahre lang Schüler von O Sensei Morihei Ueshiba. Beide zeichnete eine besonders enge Schüler-Lehrer-Beziehung aus. Hikitsuchi Sensei leitete seit 1957 das Kumano Juku Dojo in der japanischen Stadt Shingu, in dem O Sensei sehr oft zu Besuch war und gelehrt hat. Als einziger Schüler hat Hikitsuchi Sensei von O Sensei persönlich wenige Monate vor dessen Tod den 10. Dan verliehen bekommen.

Nach O Senseis Tod unterrichtete Hikitsuchi Sensei weiter in Shingu. In seinen Lehren und in seiner Art zu unterrichten, richtete er sich stärker als viele andere Lehrer nach O Sensei. Daran orientieren auch wir uns; fest zu unserem Training gehört so unter anderem das Masakatsu Bojutsu.

Hikitsuchi Michio

wurde am 14. Juli 1923 in einem Dorf nahe der Stadt Shingu in der japanischen Präfektur Wakayama geboren. Als Waise wuchs er bei seiner Großmutter auf. Sie beherrschte selbst den Umgang mit der Naginata (Hellebarde); weil sie nicht wollte, dass er auf die schiefe Bahn geriet, ließ seine Großmutter ihn schon früh Kampfkunst studieren.

So begann er mit neun Jahren Judo zu lernen, später Kendo, den Umgang mit der Lanze (Yari), das Reiten (Bajutsu), Wurftechniken (Shuriken), Karate und Iaido.

Weil seine Großmutter eine Freundin des Aikdio-Gründers war, lernte Michio Hikitsuchi 1936 mit 14 Jahren Morihei Ueshiba im Nahen Tanabe kennen. Von diesem Zeitpunkt an lernte er auch Aikido-Budo, wie Ueshiba seine Kunst damals nannte. Zwischen Ueshiba und Hikitsuchi entwickelte sich eine enge Lehrer-Schüler-Beziehung. Doch durch den Zweiten Weltkrieg kam er zu einer Trennung.

Als der Krieg beendet war, nahm Hikitsuchi sein Training in Shingu wieder auf. Während einer Kendo-Einheit rief Morihei Ueshiba an und bat um ein Treffen an einem Badeort in der Nähe von Shingu. Hikitsuchi ließ alles stehen und liegen und sprang auf sein Motorrad, um seinen Lehrer wiederzusehen. Sie diskutierten die ganze Nacht über Budo; am Ende fragte Ueshiba Hikitsuchi, ob er ihm folgen wolle.

Nach dem Krieg arbeitete Michio Hikitsuchi fünf Jahre lang als Buchhalter in einem Holzbetrieb. Er beging den Fehler, ein Papier zu schnell mit seinem Siegel zu versehen (in Japan besitzt jeder ein eigenes Siegel, dessen Abdruck als Unterschrift dient), und hat plötzlich Schulden von mehreren Millionen Yen. Um die zurückzahlen zu können, musste er das gesamte Hab und Gut seiner Familie verkaufen. 

Morihei Ueshiba nahm das Siegel an sich und forderte Hikitsuchi auf, ein neues anzufertigen; von nun an solle er nur noch dem Weg des Budo folgen.

Im Jahre 1954 wird im Auftrag von Morihei Ueshiba in Shingu ein Aikido-Dojo errichtet. 1957 verleiht O Sensei Hikitsuchi das Diplom im Bujutsu Aikido.

„Im Jahre 1957 im Sommer gegen 1 Uhr am Morgen sagte O Sensei zu mir, ich solle aufstehen und ihm folgen. Wir gingen zum Dojo und  haben Ken und Aikido trainiert. O Sensei forderte mich auf, ihn mit meinem Ken anzugreifen. Nachdem ich das mehrere Male getan hatte, bemerkte ich, dass das Ende von O Senseis Bokken abgebrochen war.

Wir beendeten das Training,  ich machte mich auf die Suche nach der abgebrochenen Spitze, aber ich konnte sie nicht finden. O Sensei sagte: „Ist es nicht das, was Du suchst, Michio San?“ Und er holte aus seinem Keiko-Gi das abgebrochene Ende des Bokken hervor.

Normalerweise fliegt ein abgebrochenes Bokken-Ende weit weg; wie kam es, dass es diesmal im Innern von O Senseis Keiko-Gi gelandet war? Ich konnte das nicht verstehen. In diesem Moment habe ich geglaubt, O Sensei sei ein Gott.“

Nach diesem Training lehrt ihn O Sensei das Geheimnis des Sho Chiku Bai No Ken und überreicht ihm eine Schriftrolle: die Bojutsu Massakatsu Oku Hissaden.  Diese Rolle enthält Zeichnungen und Erklärungen zum Bojutsu von Morihei Ueshiba. Die Zeichnungen stammen von Kanda Massami, der Text von O Sensei selbst.

Hikitsuchi Michio trainiert auch später weiter mit Morihei Ueshiba. O Sensei kommt oft in sein Dojo in Shingu, um dort zu lehren. Sechs- bis achtmal im Jahr soll er dort einige Wochen verbracht haben, insgesamt mehr als 60mal.

Am 10. Januar 1969 erhält Michio Hikitsuchi aus den Hände von Morihei Ueshiba den 10. Dan verliehen. Anwesend ist dabei auch Kubokatsu Hiroo, der einst O Senseis erster Aikido-Schüler in Shingu war. O Sensei sagte zu Hikitsuchi: „Ich habe dich alles gelehrt, Michio San; heute gebe ich dir den 10. Dan.“

Doch 1969 ist für Hikitsuchi ein schweres Jahr. Am 16. April stirbt Morihei Ueshiba plötzlich, keinen Monat später auch Hikitsuchis eigener Sohn. Zu diesem Zeitpunkt beschließt Hikitsuchi, dass er Aikido entwickeln und weitergeben muss, wie der Gründer es zuvor in aller Welt gelehrt hatte.

Das Dojo in Shingu wird immer größer. Im Jahre 1973 wird ein Dojo mit 131 Tatami (mehr als 200 Quadratmeter) eröffnet.

Auch die Zahl ausländischer Schüler nimmt zu, vor allem die der Amerikaner. So kommt es, dass Hikitsuchi Sensei 1974 und 1978 zusammen mit Lehrern seines Dojos in die Vereinigten Staaten fährt.

1984 kommt er zum ersten Mal nach Frankreich und von da an jedes Jahr bis 1987. Doch 1988 erkrankt er an Krebs und kann nicht mehr nach Europa fahren. In den wenigen Jahren zuvor hatte sich aber bereits eine feste Gruppe von Lehrern gefunden, die Hikitsuchi folgen wollten; sie waren überzeugt, dass seine Art, Aikido zu unterrichten, den Lehren Morihei Ueshibas sehr nahe kam.

Wegen seiner Erkrankung musste Hikitsuchi Michio zweimal operiert werden. Er versuchte, es mit Humor zu nehmen. Nach der zweiten Operation sagte er: „Ich bin zum Himmel aufgestiegen. Aber als Gott mich sah, befahl er mir, auf die Erde zurückzukehren, denn es sei noch zu früh und ich müsse weiter Aikido unterrichten.“ Hikitsuchi übersteht seine Krankheit; ab 1992 reist er auch wieder zu Lehrgängen nach Europa.

Im März 1991 erhält er im Nihon Budokan in Tokio (einer bekannten Kampfsporthalle) aus der Hand von Doshu Kisshomaru Ueshiba eine Auszeichnung für seinen Beitrag zur Entwicklung des Aikido und mehr als 50 Jahre Unterricht.

Bis 1998 lehrt Hikitsuchi Michio weiter. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich im Laufe der Jahre, sodass es nicht mehr reisen kann. Er unterrichtet jedoch weiterhin in seinem Dojo in Shingu.

Dort stirbt er am 2. Februar 2004 um 15.45 Uhr.

Nach seinem Tod erhält Hikitsuchi Sensei den buddhistischen Namen Shin Ki Gen In Den Saimin Eikitsu Koji I. (Eiketsu = der große Mensch; Koju = Laienbuddhist; Saimin = das Leiden der Leute erleichtern)

Sein Dojo in Shingu wird heute von Motomichi Anno (8. Dan Aikikai) geleitet. Dort unterrichten auch etliche andere Lehrer aus dem Hombu-Dojo in Tokio.

 

(Dieser Text basiert auf der Biografie auf der Internetseite der Association Française d’Aikido Traditionnel du Japon www.afatj.com.)

Anno Motomichi ist der Dojo-cho (Leiter) des Kumano-Juku-Dojos im japanischen Shingu und damit das Oberhaupt der Aikido-Richtung, der wir uns verbunden fühlen.

Er wurde 1931 in der japanischen Präfektur Mie geboren, einer Gegend, die stark von Landwirtschaft geprägt war. Anno Sensei hat als Kind den Zweiten Weltkrieg erlebt, er war 14, als der Krieg endete.

In seiner Jugend probierte er verschiedene Kampfkünste aus und entdeckte schließlich Aikido für sich. 1954 begann er, im Kumano-Juku-Dojo in Shingu zu trainieren, das damals bereits von Hikitsuchi Michio geleitet wurde. Anno Sensei war da gerade 23 Jahre alt. Nach dem Krieg hatte Budo in Japan keinen guten Ruff. Im Kumano-Juku-Dojo wurden Schüler deshalb erst mit 25 Jahren aufgenommen; das war unter anderem eine Frage der charakterlichen Reife. Anno kannte jedoch Hikitsuchis Frau; durch deren Fürsprache durfte er bereits zwei Jahre früher mit dem Training beginnen. Dafür musste er seinem Lehrer Hikitsuchi das Versprechen geben, ihm immer zu folgen. Daran hielt sich Anno bis zur Hikitsuchis Tod.

In Shingu lernte Anno Sensei auch O Sensei Morihei Ueshiba kennen und trainierte mit ihm über 15 Jahre lang dort und bei anderen Gelegenheiten Aikido. Das Kumano-Juku-Dojo gehörte zu O Senseis Lieblingsdojos, er besuchte es mehr als 60mal bis zu seinem Tod im Jahr 1969. Im selben Jahr gründete Anno Sensei auch das Matsubara-Dojo in der Stadt Kumano.

Im Jahr 1978 bekam Motomichi Anno den 8. Dan im Aikido verliehen.

Nachdem Hikitsuchi Michio im Jahr 2004 starb, hat Anno Sensei die Führung des Kumano-Juku-Dojos übernommen.

Er reist viel und gibt trotz seines Alters noch immer Aikido-Lehrgänge in Europa und in den USA. Dabei betont er immer wieder, wie wichtig es für jeden Aikidoka ist, neben den eigentlichen Techniken auch den Geist und das Herz zu trainieren. Er legt wie O Sensei und Hikitsuchi Michio Sensei großen Wert auf den spirituelle Aspekt des Aikido.

Anno Sensei lebt heute als Landwirt und liebt die Natur sehr. Immer wieder erklärt er seinen Schülern, sie sollten „eins werden mit der Natur“.

Diego Espinosa, 6. Dan Aikikai Tokio, Leiter des Dojo Centro Aikido Mallorca

Diego Espinosa Roca wurde am 11. April 1961 in Palma de Mallorca geboren und fing mit neun Jahren an, Aikido zu trainieren. Sein damaliger Lehrer Pierre Tripod zog von Club zu Club und Diego Sensei folgte ihm zehn Jahre lang. Während dieser Zeit arbeitete er auch mit Yasunari Kitaura Sensei, Tamura Sensei und Harada Sensei.

Sein eigenes Dojo gründete er im Jahre 1988 und nannte es Centro Aikido Mallorca oder kurz CAM. Er war nunmehr seit 18 Jahren auf dem Weg des Aikido. Zu diesem Zeitpunkt merkte er, dass ihm etwas fehlte. Es hatte sich eine Kluft aufgetan zwischen den Worten des Aikido-Gründers Morihei Ueshiba und seinem eigenen Aikido.

Glücklicherweise traf er ein Jahr später Meister Gérard Blaize aus Paris, der für viele Jahre sein Lehrer wurde. „Er hat mir Energie und neue Motivation gegeben.“ Dank Gérard Blaize lernte er auch Hikitsuchi Michio Sensei kennen, der noch von O sensei Ueshiba persönlich den 10. Dan erhalten hatte. Auch mit ihm arbeitete Diego Espinosa, so oft Hikitsuchi Sensei in Paris oder Mallorca Kurse gab.

Mittlerweile sind es mehr als 35 Jahre, die Diego Sensei sein Leben ununterbrochen dem Aikido gewidmet hat. Viele seiner Schüler haben bis zum heutigen Tag ein hohes Niveau erreicht und stehen ihm zur Seite.

Mit Hikitsuchi Michio ist Diego Espinosa nach wie vor sehr eng verbunden, auch über dessen Tod im Jahr 2004 hinaus. Seit 1957 hatte Hikitsushi Michio in der japanische Stadt Shingu sein eigenes Dojo geleitet, das Kumano-Juku-Dojo, in dem auch Morihei Ueshiba bis zu seinem Tod sehr oft zu Besuch war und unterrichtet hat. Seit Hikitsuchis Tod wird das Dojo von Motomichi Anno Sensei (8. Dan) geführt.

2008 hat das Kumano-Juku-Dojo Diego Espinosa Sensei eine besondere Ehre zuteil werden lassen und ihn zu seinem offiziellen Beauftragten in Spanien ernannt.

Das Wort Dojo setzt sich aus zwei Teilen zusammen. „Do“ heißt „der Weg“, „jo“ ist der Ort, an dem man den Weg studiert. Seine vier Seiten stehen für die vier Himmelsrichtungen. „Kamiza“ ist da wo die Götter (Kami) sind; nur der Lehrer sitzt vor Kamiza. Gegenüber ist „Shimoza“. Die Seite rechts vom Lehrer nennt sich „Shimozeki“, links ist „Joseki“.

Die Schüler sitzen vor Shimoza, dem Lehrer gegenüber. Aus der Sicht des Lehrers sitzen ganz rechts die Anfänger; links die Fortgeschrittenen. Je höher man in der Aikido-Hierarchie steigt, umso weiter links plaziert man sich.

Etikette

Ein wichtiges Element der Etikette ist das Grüßen durch Verneigung. Der Schüler verneigt sich immer im Sitzen (Seiza). Dazu legt man die Hände vor den Knien mit der Handinnenfläche nach unten auf dem Boden ab.

Zu Beginn eines Kurses, wenn der Lehrer noch nicht eingetroffen ist, setzt man sich an seinen richtigen Platz und bleibt ruhig in seiza sitzen. Natürlich ohne zu palavern. Das Dojo ist kein Ort, um sich zu unterhalten. Man übt sich hier in Meditation oder einfach nur im stillen sich sammeln. Man wartet. Dieses Warten ist bereits eine Übung …

Zu spät beim Training

Wenn ihr zufällig zu spät zum Kurs kommt, setzt euch sofort außerhalb der Tatami in Seiza hin und wartet. Wenn der Lehrer zu Euch hinschaut, grüßt und wenn er Zeichen gibt, auf die Matte zu kommen, tut dies ganz normal und grüßt dabei in Richtung Kamiza.

Nage und Uke

Wenn man mit einem Partner zu üben beginnt, dann übernimmt zunächst der Fortgeschrittenere die Rolle von Nage, das ist der, welcher die Technik ausführt. Der andere, nicht so Fortgeschrittene spielt Uke (der, welcher fällt). In der Regel führt Nage die Technik viermal nacheinander aus, selbstverständlich tauschen Nage und Uke dann die Rollen.

Das Wort „Nage“ kommt von „nageru“, was „werfen“ bedeutet. „Uke“ bezieht sich auf „ukeru“ , was so viel heißt wie „empfangen“.

Respekt und Höflichkeit

Im Verhalten gegenüber dem Lehrer gilt es immer Distanz zu halten. Dies geschieht durch festgelegte Formen der Höflichkeit und einer gewissen Zurückhaltung. Diese Haltung der Ehrerbietung des Respekts gebührt aber nicht nur dem Lehrer. Sie gilt gleichermaßen allen Sempai gegenüber, also gegenüber allen Fortgeschrittenen, die vor Dir begonnen haben.

Das Wichtige ist, nicht die Person gegenüber den Respekt zu erweisen, sondern der Hierarchie. Es ist eine Übung, die helfen kann, sich selbst kennenzulernen, und man trägt zur Ausgewogenheit eines Übungssystems für alle bei. Man entwickelt seine Aufmerksamkeit und lernt zugleich etwas über sein Ego.

Ein Ort der Sammlung

Das Dojo ist ein Ort der inneren Sammlung. Man verrichtet dort keine Tätigkeiten, die nicht in Bezug zur Übung stehen. Man macht dort nichts außer der Übung. Es gibt dort auch nur eine Sitzposition, nämlich Seiza. Unglücklicherweise kann man im Dojo mitunter andere, laschere Haltungen beobachten. Solche gilt es zu unterlassen.

Im Dojo trägt man immer die erforderliche Kleidung. Im Aikido ist das ein Dogi und (sofern einem der Lehrer dazu die Erlaubnis erteilt hat) ein Hakama.

Auch wer die Bedeutung dieser Übung nicht versteht oder nicht einsieht, sollte trotz allem versuchen, sich daran zu halten. Glaubt ja nicht, dass es darum geht, sich zu kasteien, dass es sich um einem Zwang handelt oder um eine Unterwerfung des Schülers durch den Lehrer. Darum geht es absolut nicht.

Aus: Le Noeud de la Ceinture, André Cognard, 1986, der Text wurde leicht gekürzt. Übersetzt und interpretiert: Walter Oelschläger, 1990

Aikido: den Geist reinigen

Das Shinji Chinkon Kishin No Ho

ist eine Methode, seinen Geist zu beruhigen und zu zentrieren (und sein Herz Gott zuzuwenden). Wir benutzen sie vor jedem Training. Was Shinji Chinkon Kishin No Ho ist und wie man es ausführt, hat Hikitsuchi Michio folgendermaßen beschrieben:

  1. Den Blick nach vorn gerichtet stehen, beide Füße schulterbreit auseinander. Nach  unten blicken, die Hände in „Gebetsform“ zusammengelegt, die Fingerspitzen zeigen nach unten. Tief durch Mund und Nase einatmen und sich dabei vorstellen, die Energie (Ki) der ganzen Erde einzuatmen. (Ausatmen).

    Tief einatmen und die Hände in gleicher Haltung nach oben führen, so dass die Fingerspitzen zum Himmel zeigen. Sich dabei vorstellen, die Energie des ganzen Universums einzuatmen, und das durch die Stirn hinein und das Rückgrat hinunter.

    Beides zweimal hintereinander.

  2. Shinkokyu: Nach dem Teil eins beendet ist und sich die Hände noch über dem Kopf befinden, rutscht die Handfläche der rechten Hand herunter, bis sich die Fingerspitzen in Höhe der ersten Fingerglieder der linken Hand befinden. Viermal wird daraufhin in die Hände geklatscht.

    Danach werden die Hände vor dem Zentrum übereinandergelegt, die linke über der rechten Hand. Die Daumenspitzen berühren sich wie in Zazen. Still und ruhig, mit geschlossenen Augen auf die Silben I-Ku-Mu-Su-Ri konzentrieren. Dabei ausatmen auf  -I-, einatmen auf -Ku-, ausatmen auf -Mu-, einatmen auf -Su-, ausatmen auf -Ri-, die Silbe -Ri- natürlich zu -I- werden lassen.

    Das ganze dreimal wiederholen und sich dabei vorstellen, dass sich der Atem beim Ausatmen ausbreitet und eins wird mit dem Universum. Beim Einatmen fließt der Atem aus dem Universum in dich hinein.

  3. Ame No Torifune: Nachdem wie unter Punkt 2 beschrieben, viermal geklatscht wurde, einen Schritt mit dem linken Fuß ins linke Hanmi machen und beide Arme nach vorne strecken. Die Fäuste umfassen dabei ein imaginäres Ruder. Mit dem Ki-Ai  -E-, beide Arme bis zum Hüftknochen zurückziehen, nicht weiter. Dann die Hände schnell vorwärts schleudern mit dem Ki-Ai -Ho-.

    Beim einziehen der Hände sich vorstellen, die ganze Erde zu greifen und in sein Zentrum hineinzuziehen. Beim Ausstrecken, fühlen, wie die ganze Erde vorwärts bewegt wird. Die Bewegungen sollen schnell ausgeführt werden.

  1. Furutama No Gyo: Wieder locker stehen, die Füße schulterbreit auseinander. Die Hände in der „Gebetshaltung“ über den Kopf heben und sie dann zum Nabel bringen, die linke Hand umgreift die rechte.

    Während die Hände nach unten gebracht werden, sich vorstellen, das Ki des Universums zu nehmen und zwischen den Händen zu einem Ball zu formen. Die Hände schnell schütteln, so dass der ganze Körper folgt und von dieser Energie (Ki)  erfüllt ist.

    Es wird durch den Bauch aufgenommen und fließt durch den Körper wie das Blut. Diese Übung wird mit geschlossenen Augen durchgeführt und versucht, sich einen weißen Kristall im Zentrum der Stirn vorzustellen. Sobald er richtig zu sehen ist, färbt er sich rot. Wiederhole den Namen des Sonnen-Kami (Gottheit) Amaterasu Okami immer und immer wieder.

  2. Wiederhole Übung 3 in der rechten Hanmi Position.

  3. Wiederhole Übung 4, diesmal den Kami-Namen Oharaido No Okami (Gottheit, die mit der „Reinigung“ der Erde beauftragt ist).

  4. Wiederhole Übung 3 aus dem linken Hanmi.

  5. Wiederhole Übung 4, diesmal den Kami-Namen Ame No Minaka Nushi No Okami wiederholen (Das ist der Name der Gottheit, dessen Kotodama das Universum hervorbrachte/Urknall). Der Name bedeutet „das erhabene göttliche Wesen, dass im Zentrum des Universums steht. O Sensei sagte, das sei der Su-Punkt (Kotodama-Laut) der Schöpfung.

    Eines der zentralen Ziele des Aikido ist, sich mit diesem Kami zu vereinigen. Das Kami ist reines Bewusstsein, reine Tat und reine Energie und hat keine Form. Im eigenen persönlichen Verhältnis ist es das spirituelle und physische Zentrum, was sich im Bereich unterhalb des Nabels befindet (Hara). „Das ist der goldene Kessel, wo das rote Blut kocht und wo die Kotodama-Spirale sich dreht. Du solltest immer dort zentriert sein während des Aikido-Trainings.“ (O Sensei)

  6. Wiederhole Übung 1 und klatsche in die Hände wie in Übung 2.

  7. Zusätzliche Übung: Schulterweiter Stand, die Daumen im Gürtel verhakt, sich auf die Fußballen stellen und dann auf die Sohlen fallen lassen. Es wird dann jedes Mal laut aus dem Hara (Bauch) heraus gerufen: Tarumusubi, Tama Tsume Musubi, Ikutama, Tarutama, Tarutomaritama und der eigene Name verbunden mit Tokotachi No Mikoto.

    Diese Übung ist dazu da, die Tatsache bewusst zu machen, dass jeder eins mit Gott ist und die Verantwortung trägt, aktiv an der Schöpfung teilzunehmen. Aikido ist: Kami Waza. Es ist das göttliche Training, was O sensei durch die Kami übermittelt wurde (Inspiration) und bezweckt, einen Zustand zu erreichen (Kannagara No Michi), in dem man sich in Einheit mit  Kami und in perfektem Einklang mit dem „Willen des Universums“ befindet.

    Kannagara ist das göttliche Blut des Universums, dass aus dem heiligen Herzen des Kosmos hervorsprudelt. Michi ist die biologische Verbindung zwischen dem einzelnen Menschen und dem Kosmos, einschließlich Kami.

    Die ersten Übungen (des Chinkon Kishin, shinkokyu, torifune, furutama und variationen) sind verbunden mit den drei fundamentalen Prinzipien des Aikido und verkörpern Dreieck, Kreis und Quadrat. In Übung 10 erhebt man sich auf Kami-Level. Sie aktiviert die Kräfte, die es erlauben, das Ziel zu erreichen. Diese Übung hat die Schüler O senseis zu seiner Zeit so verwirrt, dass er sie nur noch ausnahmsweise ausführte.

    Ich kenne nur zwei Shihon, die das heute noch lehren, obwohl es eine zentrale Stellung in dieser Übungsfolge (Chinkon kishin) einnimmt. Es sollte auch daran erinnert werden, dass das spezielle Wort Kami im Kotodama die Einheit von Feuer und Wasser bedeutet.

  8. Schulterweiter Stand: sich auf die Fußballen stellen, die Hände über dem Kopf umfassen, die Finger verschränkt, sich auf die Sohlen fallen lassen die Hände auf bauchnabelhöhe bringen dabei das Ki-Ai ausstoßen, dass das Kotodama „ooo“ (wie uuh) benutzt. Wenn die Hände den Punkt unterhalb des Nabels erreichen (Hara), zeigen die Ringfinger aufwärts und die Energie des letzten Teils des Ki-Ai sollte die Hände über den Kopf katapultieren (insgesamt hört sich der Ki-Ai wie uuuuuht“ an).

  9. Viermal klatschen wie in Übung 2.

  10. Die Hände verschränken, die linke Hand umfasst die rechte von oben auf der Höhe des Herzens. Sich einen Energieball vorstellen, der aus dem gesamten Ki der Übung (chinkon kishin) besteht. Die Hände kreisförmig bewegen, erst nach links, dann nach rechts, horizontal und vertikal, dabei die gesammelte Energie in alle Richtungen aussenden.

Original nach Hikitsuchi Michio, Übersetzung von Ward Rafferty, aus dem Englischen übertragen von Dirk Becker.